In vier Seminaren in den Arbeitsbereichen Fotografie & Multimedia am Seminar für Kunst & Kunstwissenschaft der TU Dortmund erarbeiteten Studierende im Wintersemester 2020/21 sehr vielschichtige Projekte mit unterschiedlichen Schwerpunkten zum Thema „Identität“.
Ausgehend vom erlernten Basiswissen um die elementare Kameratechnik und der Bildgestaltung widmeten sich Studierende im Seminar „foto eins“ bei Felix Dobbert mit freien Projekten dem Thema. Mit den Mitteln der Fotografie wurden das soziale Umfeld, die familiäre Herkunft und die eigene Identität untersucht.
Lehrbeauftragte Julia Unkel stellte in ihrem Porträtseminar die Fragen „Wo kommen wir her?“ und „Wo wollen wir hin?“ und kreiste damit fotografisch um die Begriffe „Selbstdarstellung“, „Fokussierung“, „Kindheit“, „Heimat“, „Kultur“, „Sexualität“ und „Intimität“.
Den Gegenständen verschiedener Identitäten widmeten sich die Studierenden im Seminar „Haushalt(en)“ bei Ingke Günther & Jörg Wagner. Haushalten ist eine Praxis, um die niemand herumkommt, auch wenn sich das Behaustsein zwischen den Extremen von dekadentem Luxus und erbärmlicher Armut abspielen kann.
Im Arbeitsbereich Multimedia bei Timo Klos wurde das Thema des Festivals im Rahmen der Nutzung von digitalen Medien behandelt. Kern der Auseinandersetzung der künstlerischen Projekte war die Frage, wie Darstellungen des Menschen durch digitale Geräte und Vernetzung geprägt und verändert werden.
Auf der Hochschuletage/Campus Stadt der TU Dortmund im Dortmunder U wird eine gemeinsame Auswahl aus allen 4 Seminaren präsentiert.

fünfzehn
fünfzehn
Helena Demantowsky
„fünfzehn“ ist eine Fotoarbeit von Helena Demantowsky, die sich mit der Thematik von Identität und Selbstfindung Jugendlicher auseinandersetzt. Verzerrte Gesichtspartien und suchende, leicht verlorene Blicke werden vor dunklem Hintergrund hervorgehoben und verdeutlichen die immanente Widersprüchlichkeit und Zerrissenheit, die junge Menschen erfahren können und müssen - Vertrauen und Misstrauen, Zerbrechlichkeit und Stolz, Unsicherheit und Selbstgefühl.

Singulär-Plural-Sein
Singulär-Plural-Sein
Hanna Thuma
„Singulär-Plural-Sein“ ist eine fotografische Auseinandersetzung mit der Frage, wie die persönliche Identität entsteht. Hanna Thuma ist tatsächlich in eine andere Haut geschlüpft, hat die Kleidung ihrer Familie und Freunde angezogen und sich an ihre Orte begeben...

Inventar: Objekt+
Inventar: Objekt+
Dulana Tillmann
Dulana Tillmann erbte nach dem Tod ihres Vaters sein Atelier mitsamt allen nützlichen und weniger gut einzuordnenden Gegenständen. In ihrer Serie „Inventar: Objekt+“ setzt sie sich mit dieser Sammlung auseinander. Welche Schlüsse könnten Außenstehende über sie ziehen, wenn sie sie inmitten ihrer Habseligkeiten treffen? Wer könnte sie sein - ausgehend von dem, was sie besitzt? Die Arbeiten sind eine Bestandsaufnahme und ein Abklopfen der neuen Identität.
(Ich) sind viele
Allegra Höltge
„Ich" sind in dieser Arbeit sehr viele. Es werden unterschiedlichste Gesichtsausdrücke und Emotionen gezeigt, die vielleicht zu der gezeigten Person gehören, oder auch nicht. Charaktereigenschaften von Menschen sind selten überschaubar und stets komplex und zahlreich; ein Dschungel, den keiner zu entwirren vermag. Was hier zu sehen und zu hören ist, kann kaum greifbar sein.

Nele, bunt
Nele, bunt
Nele Theede
In der multimedialen Fotoserie "Nele, bunt" befasst sich Nele Theede mit Fragen der Selbst- und Fremdwahrnehmung: "Wer bin ich?" und "Wie sehen mich andere?". Auf Fotoabzügen im Postkartenformat erkundet sie mit Collagen- und Mischtechniken ihre eigene Selbstinszenierung...

Calling Me: People saying my name throughout my life
Marvin Eil
Beim Digitalisieren von Filmkassetten aus Marvin Eils Kindheit bemerkte er die allgegenwärtige Präsenz eines der ersten identitätsstiftenden Merkmale eines Kindes: des Namens. Die Videoinstallation „Calling Me“ zeigt diejenigen Sequenzen, in denen sein Name gesagt wird und Marvin Eil zu sehen ist. Bereits diese kurzen Videoschnipsel, in denen man ihn und auch die Medientechnik nach und nach ‚aufwachsen‘ sieht, zeigen eine Vielzahl an wichtigen Menschen, Orten und Situationen, die für die Bildung seiner Identität ausschlaggebend waren und sind. Gleichzeitig hinterfragt die extreme Reihung dieser kurzen Zeitpunkte die Aussagekraft eines einzigen Namens in Bezug auf eine komplexe Persönlichkeit.

Jacqueline Wirtz – ohne titel
ohne titel
Jacqueline Wirtz
Jacqueline Wirtz arbeitet mit Inszenierungen von leblosen Körpern zum Thema Sexualität. Gleichzeitig macht sie auf vermeintliche Tabuthemen der Gesellschaft, wie Kindesmissbrauch, häusliche Gewalt, die Unterdrückung der Frau, Prostitution, Menschenhandel und Vergewaltigung aufmerksam. Ganz bewusst wird Irritation durch Farbe und Gegenstände hervorgerufen, welche die verschiedenen Szenen auf den ersten Blick real wirken lassen. Durch bestimmte Grundzüge rufen die leblosen Inszenierungen Assoziationen von etwas lebendigem, etwas realen, in unseren Köpfen hervor.

wirkl:ich
wirkl:ich
Hannah Zühlke
Wann und wie viel bin ich wirklich Ich? Bin ich mehr ich selbst im Alleinsein und verändert sich mein Ich in Interaktion mit anderen? Inspiriert durch viel allein verbrachte Zeit in der Pandemie und die damit vermehrte Auseinandersetzung mit dem Selbst, beschäftigt sich Hannah Zühlke in ihrer Portrait-Serie „wirkl:ich“ mit diesen Fragen. Sie fotografiert dazu Personen ihres Umfeldes mit handgefertigten Masken der jeweiligen Gesichter und inszeniert sich anschließend als Imitatorin ihrer Gegenüber.
We Need To Talk
Nadine Thomas
In der Arbeit "We Need To Talk" tritt Nadine Thomas in einen Dialog mit sich selbst. Über mehrere Geräte tritt sie zeitgleich einer Zoom-Konferenz bei und unterhält sich mit den verschiedenen Versionen ihrer eigenen Person. Der Zoom-Raum funktioniert so als Bühne, auf der die Teilnehmerinnen Akteure der eigenen inneren Vorstellung sind. Durch Augenkontakt mit der Kamera scheint die Sprecherin ständig zu wechseln und der Betrachter soll kurz vergessen, dass sich in der Konferenz nur eine Person befindet. Die Arbeit berührt verschiedene emotionale Themenbereiche wie Identitätsstörung und innere Zerrissenheit. Zeitgleich wird aber auch das Format der Zoom-Konferenz, in aller Freundschaft, parodiert, mit typischen Floskeln und instabilen Internetverbindungen.
Lost in TRANCElation
Finn Köhntop
Die fotografische Arbeit „Lost in TRANCElation“ gibt Einblick in die Technoszene in NRW. Zu sehen sind junge Erwachsene in intimen Momentaufnahmen, szenetypischen Situationen und ausgelassenen Partynächten. Finn Köhntop fotografiert analog, um seinen Bildern mehr Authentizität zu verleihen. Mit seiner Bilddramaturgie erzählt er die imaginäre Geschichte eines exzessiven Partywochenendes. Konzipiert wurde die Arbeit für ein Fotobuch. Für die Ausstellung zum f2 Fotofestival Dortmund überführte er die Bilder zudem in eine bewegende Sound- und Videoinstallation.

Teile des Ganzen
Teile des Ganzen
Simone Vehring
Das Offensichtlichste bei einer Identität ist zunächst das Äußerliche einer Person. Die personale Identität beruht dabei auf Unterscheidung. Unterscheidungen grenzen ein Ganzes ab, weshalb ein Körper eben nur als Ganzes Identität erlangt. Geht ein fehlendes Zusammenfügen zum Ganzen demnach mit einer fehlenden Identität einher? Mit dieser Frage setzt sich Simone Vehring in ihrer Fotoarbeit "Teile des Ganzen" auseinander. Durch ein bewusstes Reduzieren der Informationen zu einem Ganzen versteckt und gibt sie ganz gewollt Informationen zum Aussehen ihrer Schwester preis. Mithilfe von diversen Gegenständen und experimentellen Methoden verdeckt und entfremdet Simone Vehring Teile des Körpers. In "Teile des Ganzen" gibt es am Ende keine Auflösung. Es bleibt für die Betrachtenden eine Art Puzzle, welches bloß im Kopf zusammengelegt werden kann, und die Annahme glauben zu wissen, was sich dahinter verbirgt.

Shiyar – mein syrischer Cousin
Shiyar – mein syrischer Cousin
Zoe Henzler
Mit 15 musste Shiyar sein altes Leben hinter sich lassen und die Flucht in ein ihm fremdes Land antreten. In der Fotoserie „Shiyar – mein syrischer Cousin“ werden die Betrachter*innen mit auf seine Reise genommen. Zoe Henzler mischt dafür Handyaufnahmen von Shiyar mit Fotografien von ihm und seinem Lebensumfeld, um einen umfassenden Einblick in sein Leben zu ermöglichen.

Bewegungsdrang
Bewegungsdrang
Pia Kluth
Die Fotos von Pia Kluth geben Einblick in verschiedene Lebenswelten und zeigen situative und poetische Momentaufnahmen des Alltags. Die Bilder dokumentieren keine bestimmte Person, keine spezielle Wohnung – vielmehr stellt sich der Eindruck des Ankommens oder Aufbrechens ein. Durch diese Betrachtung des Umfelds nähert sich Pia Kluth der Identität ihrer Freunde und vermittelt mit Ihren Fotos auch ein Stück Lebensgefühl.

the urban society
the urban society
Merve Baran
'the urban society' ist eine Fotoreihe von Merve Baran, welche durch eine kritische Auseinandersetzung der Selbstdarstellung in der Straßenmodekultur entstanden ist. Diese spielt aktuell besonders in der Jugendkultur eine große Rolle. So gibt es unter anderem auf Social Media Plattformen mehrere Communities, in denen Themen, wie bestimmte Modestile, limitierte Sneaker oder Kollaborationen von Modemarken mit Künstlern aus allen Disziplinen verfolgt und als Inspirationsquelle für die eigene Selbstdarstellung genutzt wird. Durch die Social-Media Präsenz gewann das Fotografieren eines Fits an großer Beliebtheit.

Tom
Tom
Lily König
In der Porträtserie „Tom“ setzt sich Lily König mit ihrem Bruder auseinander, der ebenfalls Kunst studiert. Sie zeigt ihn in alltäglichen Situationen – die Bilder können als Erkundungsprozess geschwisterlicher Identität und Freundschaft verstanden werden. Für die Fotografin war diese fotografische Annäherung eine Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz.

Raumidentität
Raumidentität
Malin Emming
"Raumidentität" ist eine multimediale Arbeit, in der sich Malin Emming mit der Bedeutung des umgebenen Raumes für die persönliche Identität beschäftigt. Auf alten Fotografien aus der Kindheit werden hier die transienten Bestandteile der Erinnerungen, die umgebenen Menschen, übermalt. Dadurch rückt der Raum in einen anderen Fokus. Die eigentlich identitätsstiftenden Dinge und Momente bleiben oft im Verborgenen und prägen die Persönlichkeit unterbewusst. Was den Raum zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgemacht hat, verblasst nicht und bleibt konstant im Leben verankert. Es bleibt unwiderruflich als Fragment der Identität gespeichert.
